In der dunklen Jahreszeit zeigt sich Nürtingen von seiner leuchtenden Seite.
Hauptbereich
Forderung eines Wonhraumaufsichtsgesetz
Pressemitteilung vom 25.01.2021
Wohnraumaufsichtsgesetz: Verwaltungsspitzen aus Nürtingen und Kirchheim appellieren an Städtetag
Nürtingen(nt)
Die verheerende Brandkatastrophe in Nürtingen Anfang November 2020 mit zwei Todesopfern sowie die Wohnungsbrände in Kirchheim unter Teck im vergangenen Jahr haben den Blick auf prekäre Wohnverhältnisse in den beiden Städten gelenkt. Beide Kommunen setzen sich nun für die notwendigen gesetzlichen Grundlagen ein, um Missständen auf dem Wohnungsmarkt effektiv entgegentreten zu können.
Nicht nur in Nürtingen und Kirchheim gibt es prekäre Wohnverhältnisse. In vielen Städten in Baden-Württemberg ist der Wohnungsmarkt so angespannt, dass sich selbst Personen mit geregeltem, aber geringem Einkommen kaum noch eine Wohnung leisten können oder auf dem freien Markt nicht fündig werden. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg führt eine Liste von insgesamt 89 Städten und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
Einzelne Gebäudeeigentümer und Zwischenvermieter nutzen die Situation von Personen aus, die auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Wohnung finden. Solche Zustände wurden auch in Nürtingen nach der Brandkatastrophe im November bekannt. Die Oberbürgermeister aus Nürtingen und Kirchheim, Dr. Johannes Fridrich und Dr. Pascal Bader setzen sich zusammen mit der Nürtinger Bürgermeisterin Annette Bürkner und dem Kirchheimer Bürgermeister Günter Riemer nun dafür ein, dass Kommunen in solchen Fällen besser reagieren und schneller handeln können. In einem Schreiben an den Städtetag fordern sie ein Wohnungsaufsichtsgesetz nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen und Hessen.
„Zwar gibt es Regelungen aus der Landesbauordnung oder dem Polizei- und Ordnungsrecht, aber diese reichen nicht aus, um Missständen auf dem Wohnungsmarkt effektiv entgegenzuwirken“, sagt Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich. So könne eine Kommune nur eingreifen, wenn sie Kenntnis von prekären Wohnverhältnissen erlangt. Aus Angst, ihre Wohnung zu verlieren, zeigen Betroffene solche Missstände aber oft nicht an, erklärt der Nürtinger Rathauschef. Die Kommunen sind deshalb auf Hinweise aus der Bevölkerung oder von Behörden, wie dem Jobcenter, angewiesen, um überhaupt eingreifen zu können.
Auch der Datenschutz steht den wenigen Eingriffsmöglichkeiten im Weg, wie im Schreiben an den Städtetag ausgeführt wird: Informationen zwischen den beteiligten Behörden können nicht zusammengeführt oder ausgetauscht werden. Beispielsweise habe das Jobcenter aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Möglichkeit, festgesetzte Mieten an die Ortspolizeibehörden zu übermitteln, was eine Prüfung von überhöhten Mieten erschwert. „Es muss verhindert werden, dass Transferleistungen bezahlt werden, ohne dass sichergestellt ist, dass für den verlangten Mietzins adäquater Wohnraum zur Verfügung gestellt wird und der Mietpreis angemessen ist“, fordern die Initiatoren des Schreibens.
„Auch wenn wir als Kommune über die Zustände informiert sind, bleiben unsere Einflussmöglichkeiten beim derzeitigen rechtlichen Rahmen gering. Wir brauchen deshalb ein Gesetz, das die kommunale Wohnungsaufsicht stärkt. Als wesentlichen Inhalt für das Wohnungsaufsichtsgesetz sehen wir die Benennung von Mindeststandards für Wohnraum, unter anderem auch eine Mindestfläche pro Person. Zudem braucht es Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Gebäudeeigentümers oder Vermieters, sowie gegebenenfalls konkretisierte Eingriffsbefugnisse der Kommune“, so der Kirchheimer Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader. „Präventive, anlassunabhängige Wohnungskontrollen möchten wir allerdings nicht“, stellt Johannes Fridrich klar und verweist auf die Unterverletzlichkeit der Wohnung und die Privatsphäre der Bewohnerinnen und Bewohner.
Die Verwaltungschefs hoffen nun, dass ihre Initiative vom Städtetag unterstützt und gegenüber der Landesregierung vertreten wird. „Letztlich geht es um den Schutz menschenwürdigen Wohnens und um den Schutz der Gesundheit, um das Leben der Schwächsten in unserer Gesellschaft“, sind sich die Verwaltungschefs einig.
Um solche prekären Wohnverhältnisse künftig früher zu erkennen und angemessen reagieren zu können, hat die Stadtverwaltung Nürtingen eine Kontaktmöglichkeit unter wohnungsmissstände@nuertingen.de eingerichtet. Hier werden eingehende Hinweise zu prekären Wohnsituationen aufgenommen, geprüft und gegebenenfalls an die zuständigen Behörden weitergeleitet.
Pressemitteilung als pdf-Datei (PDF-Datei)